Weihnachten in Stenkelfeld

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Manjula

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21. Sep. 2010
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NRW
Ich denke, der Eine oder Andere wird es schon kennen, aber hier poste ich mal meine absolute Lieblings-Weihnachtsgeschichte:

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Sonntag, 1. Advent, 10 Uhr
In der Reihenhaussiedlung Önkelstieg lässt die Rentnerin Erna B. durch ihren Enkel Norbert drei Elektrokerzen auf der Fensterbank ihres Wohnzimmers installieren. Vorweihnachtliche Stimmung breitet sich aus. Die Freude ist groß.​
10:14
Beim Entleeren des Mülleimers beobachtet Nachbar Ottfried P. die provokante Weihnachtsoffensive im Nebenhaus und kontert umgehend mit der Aufstellung des zehnarmigen dänischen Kerzensets zu je 15 Watt im Küchenfenster. Stunden später erstrahlt die gesamte Siedlung Önkelstieg im besinnlichen Glanz von 134 elektrischen Fensterdekorationen.​
19:03
Im 14 km entfernten Kohlekraftwerk Sottrup-Höcklage registriert der wachhabende Ingenieur irrtümlich einen Defekt der Strommessgeräte für den Bereich Stenkelfeld-Nord, ist aber zunächst noch arglos.​
20:17
Den Eheleuten Horst und Heidi E. gelingt der Anschluss einer Kettenschaltung von 96 Halogenfilmleuchten durch sämtliche Bäume ihres Obstgartens an das Drehstromnetz. Teile der heimischen Vogelwelt beginnen verwirrt mit dem Nestbau.​
20:56
Der Discothekenbesitzer Alfons K. sieht sich genötigt, seinerseits einen Teil zur vorweihnachlichen Stimmung beizutragen, und montiert auf dem Flachdach seines Bungalows das Laserensemble "Metropolis", das zu den Leistungsstärksten Europas zählt. Die 40 Meter hohe Fassade eines angrenzenden Getreidesilos hält dem Dauerfeuer der Nikolausprojektion mehrere Minuten stand, bevor sie mit einem hässlichen Geräusch zerbröckelt.​
21:30
Im Trubel einer Julklubfeier im Kohlekraftwerk Sottrup-Höcklage verhallt das Alarmsignal aus Generatorhalle 5.​
21:50
Der 85jährige Kriegsveteran August R. zaubert mit 190 Flakscheinwerfern des Typs "Varta Volkssturm" den Stern von Bethlehem an die tiefhängende Wolkendecke.​
22:12
Eine Gruppe asiatischer Geschäftsleute mit leichtem Gepäck und sommerlicher Bekleidung irrt verängstigt durch die Siedlung Önkelstieg. Zuvor war eine Boing 747 der Singapur Airlines mit dem Ziel Sydney versehentlich in der mit 3000 bunten Neonröhren gepflasterten Garagenzufahrt der Bäckerei Bröhrmeier gelandet.​
22:37
Die NASA-Raumsonde Voyager 7 funkt vom Rande der Milchstraße Bilder einer angeblichen Supernova auf der nördlichen Erdhalbkugel. Die Experten in Houston sind ratlos.​
22:50
Ein leichtes Beben erschüttert die Umgebung des Kohlekraftwerkes Sottrup-Höcklage. Der gesamte Komplex mit seinen 30 Turbinen läuft mit 350 Megawatt brüllend jenseits der Belastungsgrenze.​
23:06
In der taghell erleuchteten Siedlung Önkelstieg erwacht die Studentin Bettina U. und freut sich irrtümlich über den sonnigen Dezembermorgen. Um genau 23:12 betätigt sie den Schalter ihrer Kaffeemaschine.​
23:12:14
In die plötzliche Dunkelheit des gesamten Landkreises Stenkelfeld bricht die Explosion des Kohlekraftwerks Sottrup-Höcklage wie Donnerhall. Durch die stockfinsteren Ortschaften irren verstörte Menschen, Menschen wie du und ich, denen eine Kerze auf dem Adventskranz nicht genug war.


 
Zuletzt bearbeitet:
Hier noch eine zweite Weihnachtsgeschichte aus "Stenkelfeld", die ich ebenso passend finde. Jeder, dem Weihnachten AN Weihnachten schon zum Hals raushängt, wird mich verstehen ;).


*****

Montag, 7. Oktober
Schönster Altweibersommer. Noch einmal tummeln sich Menschen in T-Shirt und Sandalen in den Straßencafes und Biergärten. Bisher keine besonderen Vorkommnisse in der Innenstadt. Dann plötzlich um 10.47 Uhr kommt der Befehl von Aldi-Geschäftsführer Erich B.: "5 Paletten Lebkuchen und Spekulatius in den Eingangsbereich." Von nun an überschlagen sich die Ereignisse. Zunächst reagiert SK-Geschäftsführer Martin O. eher halbherzig mit einem erweiterten Kerzensortiment und Marzipankartoffeln an der Kasse.​
15:07 Uhr
Edeka-Marktleiter Wilhelm T. hat die Mittagspause genutzt und operiert nunmehr mit Lametta und Tannengrün in der Wurstauslage.​
16:02 Uhr
Die Filialen von Penny und IhrKauf bekommen Kenntnis von der Offensive, können aber auf Grund von Lieferschwierigkeiten nicht gegenhalten und fordern ein Weihnachtsstillstandsabkommen bis zum 10. Oktober. Die Gespräche bleiben ohne Ergebnis.​
Dienstag, 8. Oktober, 7:30 Uhr
Im Eingangsbereich von Karstadt bezieht überraschend ein Esel mit Rentierschlitten Stellung, während 2 Weihnachtsmänner vom studentischen Nikolausdienst vorbeihastende Schulkinder zu ihren Weihnachstwünschen verhören. Zeitgleich erstrahlt die Kaufhausfassade im gleißenden Schein von 260000 Elektrokerzen. Die geschockte Konkurrenz kann zunächst nur ohnmächtig zuschauen, immerhin haben jetzt auch Spar, Coop und SK den Ernst der Lage erkannt.​
Mittwoch, 9. Oktober, 9:00 Uhr
Edeka setzt Krippenfiguren ins Gemüse.​
9:12 Uhr
SK kontert mit massivem Einsatz von Rauschgoldengeln im Tiefkühlregal.​
10:05 Uhr
Bei IhrKauf verirren sich dutzende von Kunden in einem Wald von Weihnachtsbäumen.​
12:00 Uhr
Neue Dienstanweisung bei Coop. An der Käsetheke wird mit sofortiger Wirkung ein 'Frohes Fest' gewünscht. Der Spar-Markt kündigt für den Nachmittag Vergeltungsmaßnahmen an.​
Donnerstag, 10. Oktober, 7:00 Uhr
Karstadt schaufelt Kunstschnee in die Schaufenster.​
8:00 Uhr
In einer eilig einberufenen Krisenversammlung fordert der aufgebrachte Penny-Geschäftsführer Walter T. von seinen Mitarbeitern lautstark: "Weihnachten bis zum Äußersten" und verfügt den pausenlosen Einsatz der von der Konkurrenz gefürchteten CD 'Weihnachten mit Mireille Matthieu' über Deckenlautsprecher. Der Nachmittag bleibt ansonsten ruhig.​
Freitag, 11. Oktober, 8:00 Uhr
Anwohner der Ladenstraße versuchen mit Hilfe einer einsweiligen Verfügung, die nun auch vom Spar-Markt angedrohte Musikoffensive 'Heilig Abend mit den Flippers' zu stoppen.​
9:14 Uhr
Ein Aldi-Sattelschlepper mit Pfeffernüssen rammt den Posaunenchor 'Adveniat', der gerade vor Karstadt zum großen Weihnachtsovatorium ansetzen wollte.​
9:30 Uhr
Aldi dementiert. Es habe sich bei der Ladung nicht um Pfeffernüsse, sondern um Christbaumkugeln gehandelt.​
Sonnabend, 12. Oktober
Die Fronten verhärten sich. Die Strategien werden zunehmend aggressiver.​
10:37 Uhr
Auf einem Polizeirevier meldet sich die Diabetikerin Anna K. und gibt zu Protokoll, sie sei soeben auf dem Coop-Parkplatz zum Verzehr von Glühwein und Christstollen gezwungen worden. Die Beamten sind ratlos.​
12:00 Uhr
Seit gut einer halben Stunde beschießen Karstadt, Edeka und Coop die Fußgängerzone mit Schneekanonen. Das Ordnungsamt mahnt die Räum- und Streupflicht an. Umsonst.​
14:30 Uhr
Teile der Innenstadt sind unpassierbar. Eine Hubschrauberstaffel des Bundesgrenzschutzes beginnt mit der Bergung von Eingeschlossenen. Menschen wie du und ich, die nur mal in der schönen Herbstsonne bummeln wollten.​
 
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