Mich hat es genervt. Vor allem, als es dann hieß "es reicht jetzt, jetzt siehst du krank aus". Ich seh immer krank aus, wenn ich müde bin oder blaß (und ohne Sonne bin ich ein Vampir). Das ging mir teilweise schon zu weit, wenn ich nicht mehr als ich selber angesehen wurde, sondern als "die, die abgenommen hatte". Das zog sich durch ferne Bekannte, Bekannte, Freundeskreis, ja auch innerhalb der Familie, wenn auch nicht im allerengsten Kreis. Wenn bei jedem Aufeinandertreffen dein Gewicht, deine Abnahme, deine Ernährungsform Thema ist, dann macht das keinen Spaß mehr. War auch kein Ansporn für mich. Ich war es einfach leid.
Anfänglich war es ganz nett. Neid ist ja eine Form der Bestätigung. Neid wirkt aber auch vergiftend. Fernhalten geht nicht. Man trifft immer und überall irgendwen, der irgendwie auf eine große Abnahme reagiert. Mir ging es ordentlich gegen den Strich. Ich hatte das Gefühl, dass jede neue Klamotte erst einer Analyse meiner Psyche unterzogen wurde, bewertet und beurteilt wurde. Jedes Makeup (was ich bis heute nie gewechselt habe), jeder Friseurbesuch, alles wurde negativ in Verbindung mit dem neuen Menschen gebracht. Klar, war ich selbstbewusster. Aber an und für sich bin ich immer noch die selbe gewesen. Das was ich mir im dicken Zustand eingebildet habe, ist im dünnen tatsächlich eingetroffen. Ich wurde beobachtet "was isst sie, wieviel, wann, wie oft", was hat sie an, wie sieht sie aus, wie ist ihre Stimmung. Schrecklich! Man kann sich lange dagegen wehren, aber irgendwann war dann auch gut. Man kann die Leute nicht mundtod machen. Ich musste erst lernen damit umzugehen. Richtig damit umgehen konnte ich nie. Aprallen lassen geht nicht, wenn du immer und überall Gespräch bist. Jede Familienfeier wurde zum Diättalk, über gesund und ungesund, sinnvoll und nicht sinnvoll usw. In Bekanntenkreisen hast du Fragen beantwortet oder wurdest direkt übergangen. Es fragt keiner mehr "Und wie läuft die Arbeit?", "alles gut bei euch?". Es geht nur ums Essen, nicht essen, abnehmen usw. Kranke Welt.