Fett, Cholesterin und Eier:
Von den Irrungen der Wissenschaft
Vorurteile sind schwer auszurotten, vor allem, wenn sie von der Ernährungswissenschaft über Jahrzehnte zementiert worden sind. So gelten Eier fälschlicherweise noch immer als „Cholesterinbomben“, welche das Herz-Kreislauf-Risiko förderten. Doch auch die Ernährungswissenschaft beginnt umzudenken.
Es folgt ein Auszug über die neuesten Erkenntnisse in der Forschung, wie
sie das amerikanische Nachrichtenmagazin „Time“ veröffentlicht hat.
Fett war schon immer ein wichtiger Bestandteil in der Ernähung des Menschen, seit dessen Vorfahren vor über zwei Millionen Jahren mit dem Fleischkonsum begannen. Tierische Nahrungsmittel enthalten Cholesterin, eine fettige Substanz, die man im Fleisch, Geflügelfleisch, in Eiern und Milchprodukten findet.
Herzkrankheiten – Ursache?
In den sechziger Jahren entdeckten Forscher, dass Patienten mit hohem Cholesterinspiegel im Blut vermehrt unter Herzkrankheiten zu leiden schienen. Nebenprodukte des Cholesterins bildeten an den Innenwänden der Arterien dicke, zähe Ablagerungen. Diese wurden brüchig, beeinträchtigten oder unterbanden an gewissen Stellen die Blutzufuhr
zum Herzen. Auf den ersten Blick gab es eine offensichtliche Lösung: Man richte den Konsum auf cholesterinarme Lebensmittel aus, nehme an Stelle von Butter Pflanzenöl enthaltende Margarine, esse weniger Eier und Fleisch. Wie die Ernährungsforschung dazulernte und besser verstand, wie der menschliche Körper funktioniert, stellte sich heraus, dass diese Empfehlung zu einfach war. Der Cholesteringehalt im Blut vieler Menschen blieb hoch, was immer sie auch assen. Und der Cholesteringehalt im Blut zahlreicher herzkranker Patienten war durchaus normal. Erst in jüngster Zeit hat man die tiefer liegenden Gründe erkannt: Der Konsum von Cholesterin sagt noch nichts darüber aus, wie viel davon ins Blut gelangt, zumal der Körper sein eigenes Cholesterin produziert. Die Körper mancher Menschen haben mehr Mühe, überflüssiges Cholesterin abzubauen.
Neue Wege
Die Forschung begann nun, ihr Ziel neu auszurichten: Anstatt das Cholesterin von der Diät auszuschliessen, konzentrierte man sich darauf, den Cholesterinspiegel im Blut unter Kontrolle zu halten. Doch wie sollte das erreicht werden? Wiederum sah man die Lösung in einem stark reduzierter Konsum an rotem Fleisch, Rahm und Butter – doch
dieses Mal weniger wegen des Cholesterins als des saturierten Fettes, das in diesen Nahrungsmitteln enthalten ist. Man hatte nämlich herausgefunden, dass das saturierte Fett den Cholesteringehalt im Blut hoch treibt. Eier haben zwar einen hohen Gehalt an Cholesterin, doch nicht an saturiertem Fett. Daher wurden Eier von der Liste verbotener
Nahrungsmittel gestrichen – Ausnahme bilden hier Menschen mit ernsthaften Stoffwechselstörungen, die keine Eier essen sollten.
Gut- und bösartig
Ausserdem machten die Forscher die Entdeckung, dass das Cholesterin sich im Körper in zwei Formen bewegt – als „low-density“ (niedrig verdichtetes) Lipoprotein (LDL), welches den grössten Schaden anrichtet, und als „high-density“ (hoch verdichtetes) Lipoprotein (HDL), welches die Arterien säubert. Ausserdem zirkuliert im Blut eine weitere Fettklasse, jene der Triglyzeride, die ebenso schädlich sind wie das LDL.
Die Ärzte empfahlen ihren Patienten, Nahrungsmittel zu essen und körperlicher Ertüchtigung nachzugehen, die das LDL und die Triglyzeride niedrig halten. Konkret bedeutete das: reduzierter Konsum von Fleisch, Rahm und Butter (diese Empfehlung wurde nie zurückgenommen), Ergänzung der Ernährung mit Fisch und Olivenöl; gleichzeitig sollte das HDL in die Höhe getrieben werden – beispielsweise über körperliche Betätigung und Gewichtsabnahme.
Scheinbar gut, aber schädlich
Doch dann kam wieder eine neue Entdeckung: Gewisse unbedenkliche Nahrungsmittel wie Gemüse und pflanzliche Öle, die zur Verfestigung und Streichbarkeit hydrogenisiert worden waren, wurden durch diesen Prozess in transfettige Säuren umgewandelt. Diese Säuren jagen nun die LDL- und Triglyzeride-Werte in die Höhe. Da transfettige Säuren technisch gesehen keine Fette sind, können paradoxerweise selbst „fettfreie“ Nahrungsmittel mit Stoffen angereichert sein, welche Herz- und Kreislaufbeschwerden Vorschub leisten. Doch die Ernährungswissenschaft warnt: Die Tatsache, dass Margarine „böse“ ist, heisst nicht, dass Butter nun „gut“ wäre. Die Empfehlung lautet nach wie vor, vom Konsum von Fleisch und tierischen Fetten abzusehen – und in diese Liste auch jene Nahrungsmittel aufzunehmen, die vormals als vergleichsweise unbedenklich eingestuft worden waren. Abzulehnen ist eine gänzlich fettfreie Diät. Der Körper benötigt Fette, nicht zuletzt, um die Vitamine A und D aufzulösen und aufzunehmen.
Noch mehr „Böse“
Die Ernährungswissenschaft hat herausgefunden, dass sich die Liste der ausschlaggebenden Substanzen nicht in HDL, LDL und Tryglizeride erschöpft. Sie hat in jüngsten Jahren eine weitere Fett-Art identifiziert, welche es verdient, als Cholesterin-Bösewicht II bezeichnet zu werden. Es handelt sich um Lipoprotein (a) oder Lp(a), das sich im Körper genau gleich verhält wie das schädliche LDL. Doch da der Lp(a)-Gehalt im Blut
mehr genetisch denn ernährungsphysiologisch bedingt ist, lässt er sich nur schwer kontrollieren.
Fazit
Für Eierliebhaber ist es tröstlich zu wissen, dass nach Jahren der Verketzerung Eier wieder ohne schlechtes Gewissen verzehrt werden dürfen. Wäre dem nicht so, müssten alle Amerikaner Herzbeschwerden haben, nachdem dort im „American breakfast“ das Frühstücksei seit je eine grosse Rolle spielt. Jedenfalls hat die amerikanische Ernährungswissenschaft das Ei vom „Ernährungs-Index“, d.h. der Liste verbotener Nahrungsmittel, gestrichen. Vielleicht wird sich diese Erkenntnis auch hier zu Lande vermehrt durchsetzen.
Quelle: Vereinigung der Schweizer Eierproduzenten